Aus Kostengründen und auch wegen der Art benötigten Vormaterials kommen Tochterfirmen, Lieferanten und Sublieferanten von Unternehmen in Zeiten globaler Märkte häufig auch aus Ländern, in denen fragwürdige Bedingungen unter den Gesichtspunkten Einhaltung von Menschenrechten, Schutz der Umwelt und sozialverträgliche Arbeitsbedingungen (z.B. Verbot von Kinderarbeit) herrschen. Aktuell laufen Gesetzesinitiativen auf nationaler und EU-Ebene zur Begründung von Sorgfalts- und Prüfpflichten für die Einhaltung von sozialen Mindeststandards und Menschenrechten in der Lieferkette. Einige EU-Staaten haben bereits gesetzliche Anforderungen geschaffen, die Unternehmen in der Lieferkette berücksichtigen müssen.
Mit dem nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP) aus dem Jahr 2016, der sich auf Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen (UN) stützt, hatte die deutsche Bundesregierung auf eine Selbstverpflichtung von Unternehmen gesetzt. Befragungen darüber, wie Unternehmen sicherstellen, dass Menschenrechte im Rahmen ihres eigenen unternehmerischen Handelns und in ihrer Lieferkette beachtet werden, brachten enttäuschende Ergebnisse. Auch blieb die Resonanz auf die Aufforderung zur Auskunftserteilung (nur wenige Unternehmen meldeten sich zurück) hinter den Erwartungen weit zurück. Nicht zuletzt deshalb sehen es mehrere Regierungsmitglieder jetzt für angebracht, alsbald gesetzgeberisch tätig zu werden und ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll. Für September 2020 wurde ein Gesetzentwurf angekündigt.
Das Gesetzesvorhaben wird in Publikationen teilweise auch als „Sorgfaltspflichtengesetz“ bezeichnet. Unternehmen sollen über das jeweilige Vertragsverhältnis zu den direkten Lieferanten hinausgehend die Sublieferanten und deren Vorlieferanten die Kette zurück bis zum Rohstofflieferanten einbeziehen. Das Spektrum möglicher Inhalte beginnt bei der Verpflichtung zur Kontrollen in der Lieferkette, auch von Sublieferanten, die keine Vertragspartner sind, und geht hin zu bußgeld- oder strafrechtlich- relevanten Tatbeständen für Unternehmensorgane/Geschäftsführer, wenn den Pflichten nicht nachgekommen wird. Die Folgen werden von vielen Wirtschaftsverbänden stark kritisiert. Umgekehrt gibt es Zusammenschlüsse von Handelsunternehmen und Herstellern, z.B. in der Initiative für nachhaltige Agrarlieferketten (INA), die das Gesetzesvorhaben unterstützen. Die „Initiative Lieferkettengesetz“, in der sich NGO’s wie u.a. der DGB, BUND oder Green Peace zusammengetan haben, fordert klare Haftungsregeln. Auf EU-Ebene ist zur Vereinheitlichung und Ergänzung von bereits geschaffenen nationalen Lösungen ein europäisches Gesetz in der Planung, dessen Entwurf im Frühjahr 2021 an die Öffentlichkeit kommen soll. Manche Unternehmen sind schon dabei, von ihren Vorlieferanten Auskünfte und Erklärungen zur Haftungsübernahme einzufordern.
Anstehende Fragen sind: Welche Pflichten werden aufgestellt? Ab welcher Unternehmensgröße ist mit einer Haftung zu rechnen. Wie tief werden Prüfpflichten gehen und wie ist eine Risikoanalyse vorzunehmen. Wird es eine Liste unbedenklicher Staaten geben, und fallen Unternehmen aus diesen komplett aus der Prüfpflicht? Können die Prüfpflichten verlagert werden, z.B. an Zertifizierungsstellen und welches Verhältnis wird es zwischen dem nationalen Recht und der EU-Gesetzesinitiative geben.