Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die hohe Bedeutung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) betont und ein Versammlungsverbot der hessischen Stadt Gießen für rechtswidrig erachtet, da die Stadt bei ihrer Entscheidung der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nicht angemessen Rechnung getragen habe (BVerfG, Beschluss vom 15. April 2020 – 1 BvR 828/20).

Der Beschwerdeführer beabsichtigte, eine Versammlung mit 30 Personen zu dem Motto „Gesundheit stärken statt Grundrechte schwächen – Schutz vor Viren, nicht vor Menschen“ durchzuführen, die von der Stadt Gießen mit Verweis auf das Versammlungsgesetz verboten wurde. Der Widerspruch gegen das Versammlungsverbot, der beim Verwaltungsgericht Gießen gestellte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs sowie die Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof blieben erfolglos, so dass der Beschwerdeführer schließlich Verfassungsbeschwerde und einen Eilantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung einlegte. Der Antrag im Eilverfahren war teilweise erfolgreich: Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass die Verbotsverfügung der Stadt Gießen den Antragsteller in seinem Grundrecht aus Art. 8 GG verletze. Die Stadt Gießen habe die erforderliche Abwägung zwischen dem gemäß Art. 8 GG verfassungsrechtlich geschützten Versammlungsrecht und den gesundheitlichen Belangen der Allgemeinheit unterlassen und von dem ihr eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht. Statt des Totalverbotes der Versammlung hätte die Behörde auch eine Erlaubnis mit Auflagen in Betracht ziehen können.

Grundsätzlich muss bei der Prüfung der Zulässigkeit von Versammlungen eine Abwägung zwischen verschiedenen grundrechtlich geschützten Rechtsgütern stattfinden; dabei muss insbesondere die für eine funktionierende Demokratie grundlegende Versammlungsfreiheit berücksichtigt werden wie auch der Schutz von Leib und Leben der Bevölkerung und der Versammlungsteilnehmer.

Mit der Entscheidung vom 15.04.2020 hat das Bundesverfassungsgericht den Prüfungsmaßstab für behördliche Maßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie verschärft.